Derzeit mangelt es an einer standardisierten und allgemeingültigen Vorgehensweise zur Durchführung einer ESG- Bewertung. Eine Typisierung und Normierung der Bewertungsmethoden könnte dabei der Schlüssel zum Erfolg sein, transparente und vor allem dank einheitlicher Regeln vergleichbare ESG-Bewertungen durchzuführen.
Lückenhafte Diskussion um „stranded assets“
Bereits heute sind viele Immobilien bei einer vergleichbaren Bewertung unter ESG-Gesichtspunkten als gestrandet zu betrachten. Sie weisen nicht mehr die Mindestanforderungen zur Teilnahme am sich wandelnden und nun mit ESG um einen weiteren Kernpunkt erweiterten Markt auf. Das Ergebnis einer ESG-Bewertung ist zu einem klaren Ausschlusskriterium geworden, falls es negativ ausfällt. Allerdings stehen für Immobilien mit komplexer Nutzerstruktur, modernen Managementansätzen und einer Vielzahl an Entwicklungsmöglichkeiten, nur unzureichende Bewertungsverfahren zur Verfügung. Für die Bewertung der komplexen und mehrschichtigen Wechselwirkung von Immobilien mit ihrer Umwelt, sind damit allgemeingültige Regelwerke notwendig.
Anpassungsfähigkeit im Fokus
Übertragen wir das Prinzip der stetigen Anpassung in der Menschheitsgeschichte auf unseren Immobilienmarkt, werden wir die Qualifizierung eines stranded assets zukünftig nach deren Möglichkeiten zur fortlaufenden Anpassungsfähigkeit bewerten müssen. Permanent sehen wir uns mit der Thematik auseinandergesetzt, den Klimawandel zu stoppen oder dessen Auswirkungen einzudämmen. Eine Auflösung starrer Bewertungsgerüste ist damit notwendig.
Entwicklung objektspezifischer Kriterienkataloge
Um ESG-Washing vorzubeugen, sind Rückkopplungen bei der Entwicklung mit den Entscheidungsebenen auszuklammern. Technischen und wissenschaftlichen Methoden sind Vorrang zu gewähren. Zu sehr drängt sich sonst der Verdacht auf, wohlwollende Bewertungsmuster herauszuarbeiten. Da Green Deal und EU-Taxonomie als Rahmenleitwerke keine verbindlichen Bewertungskriterien vorgeben, ist eine sinnvolle Kombination aus bekannten Regelwerken wie DGNB, BREEAM, DIN/EN, ISO für eine allgemeingültig und typisierte Anwendung möglich.
Nachhaltigkeitscontrolling und Risikomanagement
Damit dem Leitgedanken des Green Deal zur Stärkung nachhaltiger Investitionen in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird, ist die Einbindung des Risikomanagements unerlässlich. Mit dem siebten novellierten Entwurf der MaRisk (BaFin) wurden für finanzierende Institute bereits Umsetzungsleitlinien erarbeitet. In nahezu allen Abschnitten der MaRisk wird dargelegt und gefordert, wie Finanzierungsentscheidungen durch die Berücksichtigung der Auswirkungen von ESG-Kriterien erfolgen soll. Zur operativen Umsetzung der Bewertungen, sowohl zu Beginn als auch wiederkehrend, sind externe Dienstleister einzubinden, um zu gewährleisten, dass eine neutrale Perspektive im Vordergrund der Bewertung steht. Eine Standardisierung zur ordnungsgemäßen ESG-Bewertung wird damit zur Pflicht.
Ziel: Wiederkehrende Bewertung
Eine Bewertung objektspezifischer Nachhaltigkeitskriterien muss nachvollziehbar, wiederkehrend und somit standardisiert möglich sein, so dass eine fortlaufende Anpassung an neue Bewertungsmuster möglich ist. Eine homogene Informationsstruktur und ein effektives (ESG-)Datenmanagement unterstützen alle Marktteilnehmer bei der Herausbildung von Benchmarks. Die „Grundlagen einer ordnungsgemäßen ESG-Bewertung“ (GoESG) eröffnet damit für die Branche eine Chance, ESG-Bewertungen zu vergleichen. Damit wird gewährleistet, dass Abweichungen der sich verändernden Ziele in Form eines Nachhaltigkeitscontrollings fortwährend frühzeitig erkannt werden.
Henry Fritzsche
Chief Operations Officer
Erschienen in den FondsNews. Ausgabe Februar 2023.